Von 0 auf 100 in nur 3 Jahren

Mehr oder weniger aus Langeweile hat Mats Budäus während des Corona-Lockdowns begonnen, sich intensiv mit dem Fach Chemie zu beschäftigen. Was anfangs nur ein Zeitvertreib war, hat sich in kürzester Zeit zu einem echten Faible entwickelt: inzwischen verbringt Mats wöchentliche etliche Stunden mit der Vorbereitung auf MINT-Wettbewerbe. Mit Erfolg!

Mats Budäus besucht die 11. Klasse des Gymnasiums Oberursel in Hessen. Das Gymnasium Oberursel hat in den letzten Jahren einen Fokus auf die MINT-Fächer gelegt, so dass diese neben den Gesangs-, Streicher- und Bläserklassen, sowie einem deutsch-englischen bilingualen Zweig zunehmend an Bedeutung gewinnen. So ist es kein Zufall, dass der Grundstein für Mats Silbermedaille bei der Internationalen Chemie Olympiade (IChO) in der schulischen Chemie-AG gelegt wurde: "Als ich in der neunten Klasse war, hat meine Chemielehrerin jeden Dienstagnachmittag mit der 'Chemie-AG' eine Einführung in das praktische chemische Arbeiten für alle naturwissenschaftlich interessierten Schüler*innen der 8. und 9. Klasse angeboten. Da ein paar meiner Freunde bereits die AG besuchten und mich die komplizierten chemischen Versuchsaufbauten auf den Abbildungen im Schulbuch schon immer fasziniert haben, habe ich einfach mal vorbeigeschaut. Neben dem Erlernen von einfachen Labortechniken, wie zum Beispiel dem Entzünden eines Bunsenbrenners, stand in der 'Chemie-AG' auch das Bearbeiten der ersten Runde des Wettbewerbs Chemie - mach mit! [Anm. Red.: ähnliche Chemkids in den mitteldeutschen Bundesländern] auf dem Programm. Bei Chemie - mach mit! galt es, in Gruppen einfache Versuche rund um das Thema Schokolade durchzuführen und diese anschließend zu protokollieren. Das Durchführen der Versuche hat mir wirklich Spaß gemacht. Doch mit dem Ausbruch der Coronapandemie und dem ersten Lockdown konnte die Chemie-AG leider nicht weitergeführt werden. Aus Langeweile wollte ich mich im ersten Lockdown dann weiter mit Chemie auseinandersetzen. Da die Schule zeitweilig - wie überall - geschlossen war, blieb mir 'gezwungenermaßen' nur die Theorie. Beim Recherchieren bin ich dann auf die Website von Chemie - die stimmt! (CDS) gestoßen und habe angefangen, die Hausaufgabenrunde 2020/21 zu lösen. Der Umfang der ersten Runde von CDS war für mich ehrlicherweise recht anspruchsvoll, da die Fragestellungen teilweise recht speziell sind. Doch gerade das fand ich neben dem Fachlichen an den Aufgaben von CDS so interessant. Um diese erste Hürde zu meistern, habe ich meistens die Videos von Mai Thi Nguyen Kim auf dem YouTube-Kanal 'Musstewissen Chemie' angeschaut, wie z.B. das Video 'Was ist ein Mol?'. Fachbegriffe und Konzepte, die ich noch nicht kannte, habe ich gegoogelt. Als im Herbst 2020 dann wieder normaler Unterricht stattfand, habe ich meine Lösungen der ersten Runde CDS bei meiner Chemielehrerin abgegeben. Ich hatte die nötige Punktzahl für die Qualifikation für die zweite Runde von CDS erreicht. Die 2. Runde - eine dreistündige Klausur - habe ich ohne sonderliche Vorbereitung einfach mal so mitgeschrieben. Ich wollte mich nur ein bisschen über den Schulunterricht hinaus mit Chemie beschäftigen. Mich haben vor allem alltägliche chemische Prozesse wie das Backen von Kuchen, Entfernen von Kalk oder die Funktionsweise der während der Coronapandemie im medialen Diskurs immer häufiger erwähnten mRNA-Impfstoffe interessiert. Über die zweite Runde qualifizierte ich mich dann für die Regionalrunde, die entgegen der ursprünglichen Planung doch in Darmstatt in Präsenz stattfand. Beim Austausch mit den anderen Teilnehmer*innen in Darmstadt ist mir dann zum ersten Mal aufgefallen, wie viel Spaß der Austausch mit anderen naturwissenschaftlich interessierten Schüler*innen macht und wie viel man dabei lernt."

Auch wenn er sich leider nicht für das Bundesfinale von CDS in Leipzig qualifizierte, habe er bei der dritten Runde von CDS trotzdem gewonnen, meint Mats. Nämlich weiteres Wissen über chemische Prozesse und ein allgemeines Verständnis von Naturwissenschaften: „Das Wichtige bei der Teilnahme an diesen Wettbewerben ist, dass man mit der Einstellung rangeht ‚Okay, ich will was lernen und will mich mit anderen, die dieselben Interessen haben, einfach austauschen.'"

Dank der Erfahrungen, die Mats bei CDS (nur für Schüler*innen der 8.,9. und 10. Klasse) gesammelt hat, schaffte er es, die Aufgaben der ersten Runde des deutschen Auswahlverfahrens zur IChO problemlos zu lösen und sich so für die zweite Runde, eine dreistündige Klausur, die an der Schule geschrieben wird, zu qualifizieren: "Die Aufgaben der zweiten Runde stellten zunächst eine Herausforderung für mich dar, doch dank des vom IPN [Anm. Red.: Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaft in Kiel; führt das deutsche Auswahlverfahrens zur IChO durch] und dem Land Hessen zur Verfügung gestellten Vorbereitungsmaterials schaffte ich es, mich für die Bundesrunde zu qualifizieren."

Zur weiteren Vorbereitung auf die Bundesrunde stand dann das Landesseminar Hessen-Thüringen an. Beim dem Landesseminar in Darmstadt lernte Mats mit Felix und Tim zwei weitere Schüler im diesjährigen IChO-Teams kennen und erhielt die Möglichkeit, im Merck-Juniorlabor zusammen mit den anderen Teilnehmenden im Team komplexe und aufwendige Versuche durchzuführen: "Das praktische Arbeiten im Labor hat mir gezeigt, dass Forschung Teamwork ist. Außerdem hat mir das Experimentieren im Juniorlabor bei Merck erneut verdeutlicht, wie praxisnah das Fach Chemie ist."

Auf das Landesseminar folgte für Mats die Bundesrunde des deutschen Auswahlverfahrens zur IChO, die leider noch online ausgetragen wurde: "An die Bundesrunde bin ich einfach mit der Einstellung rangegangen, mein Bestes zu geben." Weil er den zweiten Platz in der Bundesrunde belegte, qualifizierte sich Mats souverän für die Finalrunde des deutschen Auswahlverfahrens zur IChO. Da er die Altersbeschränkung von 17 Jahren nicht überschritt, qualifizierte er sich zugleich für das Auswahlverfahren zur EOES (European Olympiade of Experimental Science). Bei diesem qualifizierte er sich für eines der beiden Deutschen Teams, die jährlich bei der EOES antreten. Nach einer Trainingswoche zusammen mit den beiden österreichischen Teams konnte Mats mit seinem Team bei der EOES in Hradec Kralove (Tschechien) das Erlernte umsetzen. Sein Team gewann eine der begehrten fünf Goldmedallien: "Die Goldmedallie bei der EOES hat mir ordentlich Rückenwind für die Finalrunde des deutschen Auswahlverfahrens zur IChO gegeben. In der Finalrunde konnte ich dann nach einer spannenden fünfstündigen theoretischen Klausur und zwei praktischen Klausuren, die mir wirklich Spaß gemacht haben, den ersten Platz von den 15 qualifizierten Teilnehmenden belegen."

Nach vier Runden stand dann fest, dass Mats Deutschland dieses Jahr als Teil des vierköpfigen Teams bei der Internationalen ChemieOlympiade (IChO) vertreten wird. Die internationale Runde wurde – leider virtuell – durch das Gastgeberland China ausgetragen. Bei der IChO gewann Mats eine hervorragende Silbermedaille. Das Rückgrat auf dem Weg zu Mats Erfolg war vor allem auch die engmaschige Wettbewerbslandschaft im Fach Chemie. In vielen Bundesländern ermöglicht sie beginnend bei der 5. Klasse bis hin zum Abitur Wettbewerbsteilnahmen. Bei Mats führte der Weg von Chemie - mach mit! über Chemie die stimmt! und der EOES hin zur IChO. Den Stein ins Rollen gebracht hatte die Motivation durch die Chemielehrerinnen und -lehrer am Gymnasium Oberursel, die ihn seit der 8 Klasse für das Fach begeistert haben. Diese Grundlage wurde durch das Angebot des Schülerlabor der Uni Frankfurt ergänzt. Daneben hat bei Mats auch die hessische Industrielandschaft mit reingespielt: "Gerade der Praxisbezug hat mich am Fach Chemie fasziniert – und weil wir hier in Hessen, z.B. in Darmstadt und Frankfurt, sehr große Chemiebetriebe haben und daneben im gesamten Bundesland viele andere kleinere und mittelgroße Chemiebetriebe bestehen – da habe ich mir gedacht, ist Chemie wohl das Fach, mit dem ich mich weiter auseinandersetze."

Wenn Mats ausnahmsweise gerade mal nicht an einer Olympiade teilnimmt, verbringt er seine Freizeit in der für viele Jugendliche typischen Art: "In meiner Freizeit mache ich viel Sport. Ich gehe gerne joggen und treffe mich ansonsten mit meinen Freunden."